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Dewezet20.03.2010

Das ist sicher wie das „Amen“ in der Synagoge

Dewezet, 20 Marz 2010
von Wolfhard Truchseß

Hameln (tw). Rachel Dohme ist derzeit rundum glücklich. Die Vorsitzende der liberalen jüdischen Gemeinde in Hameln freut sich von ganzem Herzen, weil ihr lange gehegter Traum endlich Wirklichkeit wird. „Erst war es eine Idee“, sagt Rachel Dohme, „dann wurde es zu einem Traum — jetzt soll der Traum Wirklichkeit werden.“

Der Traum — das war die Hoffnung, in Hameln eine Synagoge bauen zu können. Dass jetzt, nach langen Jahren des Planens, der Bauantrag von der Stadt Hameln bewilligt wurde und auch die Finanzierung des neuen jüdischen Gemeindezentrums steht, das an der Bürenstraße in diesem Jahr errichtet werden soll, hat bereits internationale Aufmerksamkeit erregt. Amerikanische und britische jüdische Gemeinden interessieren sich für das Projekt ebenso wie viele Christen, die sich in Hameln gemeinsam in einem Arbeitskreis für den Bau der Synagoge engagiert haben.

Es wird der erste Neubau einer liberalen jüdischen Synagoge in Deutschland sein. „Denn bislang haben jüdische Gemeinden meist umgewidmete Gebäude als Synagogen bezogen“, berichtet Rachel Dohme. „Das aber wird jetzt der erste echte Neubau und noch dazu an derselben Stelle, an der die frühere Hamelner Synagoge stand.“ Für die Einweihung im Februar 2011 hat Ministerpräsident Christian Wulff sein Kommen bereits zugesagt. „Es war ein langer Weg, bis wir dieses Ziel erreichen konnten“, erinnert sich Rachel Dohme an die schwierigen Umstände, denen das Projekt ausgesetzt war. Auf den Gedanken, die Synagoge am alten Platz des am 9. November 1938 von den Nationalsozialisten niedergebrannten Gotteshauses zu errichten, sei der damalige Oberbürgermeister Klaus Arnecke gekommen, erzählt die engagierte Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, die rund 200 Mitglieder hat. „Ich war gemeinsam mit Christa Bruns, der Vorsitzenden der Christlich-jüdischen Gesellschaft, bei Herrn Arnecke, um ihn um Unterstützung bei der Suche nach einem geeigneten Objekt zu bitten.“ Da habe Arnecke die Frage gestellt: „Warum bauen Sie denn die Synagoge nicht am alten Platz in der Bürenstraße?“

Erst sei das Grundstück, auf dem sich damals noch ein Spielplatz befand, von Arnecke zum symbolischen Preis von einer D-Mark angeboten worden. Aber der Kämmerer der Stadt habe darauf bestanden, dass die Stadt „ihren Preis“ bekommen müsse. Am Ende habe die Gemeinde das Grundstück für 40 000 Mark erworben. Im März 1939 hatte die damalige jüdische Gemeinde nach der Zerstörung und dem Abriss der Synagoge das Grundstück für ganze 7500 Reichsmark an die Stadt verkaufen müssen. 1500 Reichsmark behielt die Stadt Hameln damals als Kosten für den Abriss ein. Der Kaufpreis selbst aber wurde nicht an die Hamelner Gemeinde ausgezahlt, sondern ging an die den Juden aufgezwungene Organisation „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“, die unter anderem die Aufgabe hatte, jüdisches Vermögen „restlos“ zugunsten des deutschen Reiches zu verwerten, wie bei dem Hamelner Historiker Bernhard Gelderblom nachzulesen ist — und fiel damit an das Deutsche Reich.

Der erste Entwurf für die neue Synagoge für Hameln stammt von Arnold Oppler, dem Urenkel Edwin Opplers, der als damals berühmter Architekt für den von 1877 bis 1879 errichteten Synagogenbau in der Bürenstraße verpflichtet werden konnte. „Aber Arnold Opplers Entwurf war für die Hamelner liberalen Juden eine Nummer zu groß und mit einem Kostenplan von rund 3,5 Millionen Euro viel zu teuer“, bedauert Rachel Dohme, dass die Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Architekten wieder aufgegeben werden musste. „Aber Oppler hat verstanden, dass das Objekt nicht wie von ihm geplant verwirklicht werden konnte.“ Das Design des neuen Entwurfs entwickelte der Architekt Frank Taylor — einen in seiner Grundform ovalen Bau mit einem rund 100 Plätze enthaltenden Raum für die Gottesdienste, Büroflächen, einem Jugendraum und einer Bibliothek. Bauherr und Eigentümer ist die „Stiftung Liberale Synagoge Hameln“. Die bauliche Realisierung und die Bauleitung wurden dem Hamelner Architekturbüro Nasarek übertragen. Bereits in Kürze soll mit den Bodenarbeiten auf dem Gelände begonnen werden. An den Baukosten in Höhe von etwas mehr als einer Million Euro beteiligen sich die Stadt Hameln und der Kreis Hameln-Pyrmont gemeinsam zu einem Drittel, ein Drittel übernimmt das Land Niedersachsen, den Rest muss die Stiftung selbst aufbringen. „Etwa die Hälfte der Summe haben wir durch größere und kleinere Spenden auf dem Konto“, berichtet Rachel Dohme. „Die Restfinanzierung beruht auf Darlehen und erhofften weiteren Geldspenden.“ Auch für die Inneneinrichtung hätten sich bereits Spender gefunden. So werde der Büromöbelhersteller Wilkhahn die gesamte Bestuhlung stiften, von Vorwerk werde es den Teppichboden geben, und auch das Hessisch Oldendorfer Unternehmen Junker Bedachungen habe zugesagt, sich mit einer größeren Sachspende zu beteiligen.

Was den liberalen Charakter der jüdischen Gemeinde im Gegensatz zu orthodoxen Gemeinden ausmacht, ist laut Rachel Dohme, „dass bei uns Männer und Frauen gleichberechtigt am religiösen Leben teilnehmen. Wir haben schließlich auch eine Rabbinerin.“ Gebetet werde nicht nur auf Hebräisch, sondern auch in den Muttersprachen der Gemeindemitglieder. Während in orthodoxen Gottesdiensten ohne musikalische Begleitung gesungen werde, gebe es in liberalen Synagogen auch Instrumentalmusik. Ohnehin solle die Synagoge multifunktional sein: „Wir planen das Gemeindezentrum sowohl für religiöse als auch für säkulare Veranstaltungen wie Konzerte, Vorträge und eben auch als Begegnungsstätte mit unseren nichtjüdischen Mitbürgern.“ Eines ist Rachel Dohme aber besonders wichtig: „Der Bau wird jetzt so sicher kommen wie das ‚Amen‘ in der Synagoge!“