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DewezetSamstag, 8.5.2010

Hameln

Von großer Bedeutung für ganz Hameln

Wolfhard F. Truchsess

Blauweiß in den Farben Israels geschmückt, stehen zwei Spaten mitten auf dem Gelände der von den Nationalsozialisten am 9. November 1938 niedergebrannten Synagoge an der Bürenstraße in Hameln. Wenige Meter entfernt ist ein liebevoll geschmückter Tisch aufgebaut. Sektflaschen und Sektgläser stehen bereit, und rund 100 feierlich gestimmte Menschen warten auf den symbolischen Spatenstich für die erste liberale Synagoge, die seit Kriegsende in Deutschland hier neu errichtet werden soll. Schüler, Nachbarn, Politiker und natürlich viele Mitglieder der liberalen jüdischen Gemeinde sind gekommen, um zu erleben, was noch vor wenigen Jahren niemand außer der Vorsitzenden der Gemeinde, Rachel Dohme, für möglich gehalten hätte: Hameln erhält wieder eine eigene Synagoge. Und noch bevor Dohme das Wort ergreift, wird ihr von dem in der Nachbarschaft wohnenden Ehepaar Wache ein Stein des alten zerstörten Gotteshauses als Geschenk überreicht. „Wir haben ihn aus den Trümmern geborgen und seitdem aufbewahrt“, berichtet Annette Wache. „Sie brauchen doch Steine für den neuen Bau“, sagt sie an Rachel Dohme gewandt, „den wollen wir Ihnen dafür schenken.“

Der Vorsitzenden ist ihr Glücksgefühl offen ins Gesicht geschrieben, als sie ihre Rede hält: „Was für einen Moment dürfen wir hier erleben! Was für eine absolute Freude! Die Dankbarkeit, die wir heute spüren, ist unendlich groß. Vor allem danken wir Gott.“ Dieser Bau, sagt Rachel Dohme, sei nicht nur für die jüdische Gemeinde Hameln wichtig. „Er ist genauso wichtig für alle Bürger der Stadt und des Landkreises.“ Wohl schmerzten die Wunden des Holocaust noch immer, „aber dieser Bau ist ein erkennbares Zeichen der Heilung und der Normalisierung“. Die Synagoge werde ein Zentrum der Begegnung und des Dialogs sein, „ein Ort des jüdischen Lebens, sichtbar und offen für alle“.

Oberbürgermeisterin Susanne Lippmann bezeichnet den Moment als eine „fast historische Stunde“ und würdigt die „große Bedeutung“, die dieser Neubau für das ganze Hameln habe, denn er erwecke große Aufmerksamkeit sowohl im Inland als auch im Ausland. „Möge der Neubau schnell und gut gedeihen“, wünscht Oberbürgermeisterin Lippmann ebenso wie Landrat Rüdiger Butte. Es sei „ein stolzer Tag für Hameln und die gesamte Region“, sagt Butte. Der niedersächsische Rabbiner Gabor Lengyel, der die Hamelner Gemeinde früher selbst häufig betreute, spricht das bei wichtigen jüdischen Ereignissen übliche Schechejanu-Gebet und betont, wie wichtig es sei, dass dieser Neubau am Ort der alten Synagoge errichtet werde. Er werde nicht nur ein Haus zum Beten sein, sondern als Versammlungsort auch ein Haus zum Lernen und Lehren.

Mit dem ersten Spatenstich, gemeinsam vollzogen von Rachel Dohme, Susanne Lippmann, Rüdiger Butte, Rabbiner Lengyel und Dohmes Stellvertreterin Polina Pelts, wurde quasi der Startschuss für den Neubau gegeben. Im Februar 2011 soll die Einweihung gefeiert werden, zu der Ministerpräsident Christian Wulff sein Kommen bereits signalisiert hat.

Ganz besonders ergriffen war Polina Pelts, die Stellvertreterin von Rachel Dohme. „Als ich vor 14 Jahren nach Hameln kam, hätte ich nie für möglich gehalten, dass ich einen solchen Tag hier erleben darf. Das ist die Krönung meines jüdischen Lebens, dass dieser Wunsch nach einer neuen Synagoge hier in Erfüllung geht.“ Rachel Dohme selbst meinte: „Dieser Spatenstich ist für die Mitglieder unserer Gemeinde das sichtbare Zeichen, dass dieser Traum jetzt Wirklichkeit wird.“ Und dankte allen Menschen, die sich in den vergangenen Jahren tatkräftig für die Verwirklichung eingesetzt hätten.

Mit den richtigen Bauarbeiten soll bereits in der kommenden Woche begonnen werden.

© Dewezet, 8.5.2010